Ein Sieg über die Wohnungsnot

Auf der Suche nach Bauland, wo sie für sich Wohnhäuser samt Kleintierställen errichten und Nutz- und Obstgärten anlegen konnten, schlossen sich 41 Siedlungswillige, vor allem Spinnerei- und Tonwerkarbeiter, 1933 zu einer Gemeinschaft zusammen. Mit Unterstützung von vielen Seiten erreichten sie ihr Ziel – die jetzige Alte und Neue Siedlung entstand. Das Jubiläum wird ab heute drei Tage lang gefeiert.

Kolbermoor– Die Siedlung ist historisch für Kolbermoor ein wichtiger Stadtteil, der eng mit dem industriellen Erfolg der Gemeinde Kolbermoor zusammenhängt. Um Wohnungsnot und auch Arbeitslosigkeit zu verringern, wollte man damals eine vorstädtische Siedlung schaffen. Den Anstoß hatten einige wackere Männer bereits 1931 gegeben, die beim Tonwerk Kolbermoor angefragt hatten, ob das Ödland – rund 47 Tagwerk Grund bei der alten Schießstätte neben dem Sportplatz – zu erwerben sei. Das Tonwerk als Grundbesitzer erklärte sich zum Verkauf bereit, wenn die erforderlichen Geldmittel aufgebracht werden könnten. Der Sprecher dieser Männer, Ludwig Prager, wandte sich an den damaligen Bürgermeister Josef Fleischmann und bat um Unterstützung der Gemeinde. Das Landbauamt, das Kulturbauamt, die Moorwirtschaftsstelle, das Ministerium für Arbeit und die der Gemeinde empfohlene Oberbayerische Heimstätte wurden hinzugezogen; bei der Deutschen Bau- und Bodenbank in Berlin sprach man wegen entsprechender Darlehen vor.

Zur Durchführung des Siedlungsprojektes mussten eine Siedlungsgemeinschaft gegründet und die Gemeinnützigkeit des Unternehmens gesichert werden. 41 Siedlungswillige, darunter viele Spinnerei- und Tonwerkarbeiter, schlossen sich zusammen, um unter dem Leitspruch „Hilfst Du mir, so helfe ich Dir“ in Gemeinschaftsarbeit den Bau der Siedlung durchzuführen.

In der konstituierenden Sitzung am 27. Januar 1933 wurde Ludwig Prager, der Initiator des Siedlungsgedankens in Kolbermoor, zum Vorsitzenden gewählt. Gemeinsam mit seinen Gründungsmitgliedern Alois Haydn, Sebastian Eder, Alois Pfeffer, Markus Schneider, Georg Klattenbacher und Eusebius Klotz begann Ludwig Prager, in mühevoller Arbeit die Siedlung zu errichten.

Um den geringen Preis von 4700 Reichsmark erwarb man von der Tonwerk AG 47 Tagwerk Ödland. Doch die volle Bezahlung war noch nicht möglich; ein Rest von 1164 Reichsmark wurde gestundet. Bedingung war insbesondere, dass die Gemeinde Kolbermoor die Trägerschaft für das Vorhaben übernahm.

Der ursprüngliche Zweck der Siedlung war, den Siedlern eine Heimatstätte und eine Möglichkeit zur Kleintierhaltung, zum Obst- und Gemüseanbau zu geben, um ihnen für Krisenzeiten ein zusätzliches Einkommen zu sichern. Die Oberbayerische Heimstätte erstellte die Pläne und führte die Bauleitung. Voraussetzungen waren in erster Linie die Baureifmachung und Entwässerung dieses Hochmoorgrundstückes nach den Plänen des Kulturbauamtes Rosenheim. Es mussten rings um das ganze Gelände tiefe Vorfluter gebaut, zahlreiche Drainagen gelegt und deren Anschlüsse an die Vorfluter hergestellt werden.

60 Erwerbslose hatten ein halbes Jahr eine gesicherte Arbeit, um in 8800 Tagschichten diese Aufgabe zu vollenden. Die Gesamtkosten waren auf 65 000 bis 70 000 Reichsmark geschätzt, wovon 28 000 auf die Gemeindekasse fielen. 88 Prozent der Ausgaben waren Arbeitslöhne und kamen somit auch der örtlichen Wirtschaft wieder zugute, wie es in der Chronik des Siedlungsvereins heißt.

In der Alten Siedlung entstanden 40 Wohnhäuser. Die Siedler hatten aus eigener Kraft auch als erstes die durch die ganze Siedlung gehende Straße gebaut. Das Tonwerk hatte dafür Abfallmaterial, Gleisführung und Rollwagen zur Verfügung gestellt.

Parallel zu diesen Plänen hatte es auch bereits 1932/33 seitens der Baumwollspinnerei Überlegungen gegeben, westlich weiteres Ödland für Siedlungszwecke zu überplanen. Die Planungen wurden erst nicht weiter verfolgt – 1946 erinnerte sich Ludwig Prager angesichts der erneuten Wohnraummangelsituation daran und Bürgermeister Staudter konnte mit der Spinnerei verhandeln. Mit Erfolg: Für die knapp 50 Tagwerk Grund wurde der Kaufpreis mit rund 10 000 Reichsmark festgelegt. Die Erweiterung um die sogenannte „Neue Siedlung“ konnte in Angriff genommen werden. Der Siedlungsverein war auch für dieses Projekt zuständig.

Heute umfasst das Siedlungsgebiet rund 25 Hektar und zählt zu einem der größten Stadtteile in Kolbermoor. An die Vorstände des Siedlungsverein, Ludwig Prager (1933 bis 1936, 1946 bis 1948) und Dismas Reheis (1949 bis 1961), erinnern heute die größten Straßen des Areals.

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