Brenner Nordzulauf: Wie fühlt es sich an, in Kolbermoor neben der Trasse zu leben?

Mehr als 130 Kolbermoorer beteiligten sich an der Begehung der Trassenvariante des Brennernordzulaufs, die unmittelbar am Siedlungsgebiet entlanglaufen würde. Dazu eingeladen hatten Christian Wagner vom Siedlungsverein Kolbermoor und die Bürgerinitiative eingeladen.

Kolbermoor – Die große Resonanz war für Christian Wagner, Vorsitzender des Siedlungsvereins, ein wichtiger Erfolg, denn die Planungen des Brennernordzulaufs sind in einer entscheidenden Phase. Innerhalb des nächsten Jahres wird sich aus den momentan noch fünf Grobtrassen der definitive Trassenvorschlag der Bahn herauskristallisieren, über dessen Verwirklichung dann der Bundestag zu entscheiden hat. Dazu wird jede Trassenalternative genau durchleuchtet werden. Anders als bei den Grobtrassen geht es jetzt an die Details. Wie sieht der Baugrund genau aus, werden Biotope durchquert oder Grundstücke zerschnitten? All das sind Einzelbausteine, die am Ende zu einer Trassenbewertung und dann zu einem Trassenvergleich führen.

Jetzt auf konkrete Probleme hinweisen

Für Christian Wagner, aber auch für Ralf Exler von der Bürgerinitiative „Nordzulauf Kolbermoor“, der mit ihm die Trassenbegehung führte, sind deshalb im Moment gerade die Bürger gefragt: „Jetzt ist die Gelegenheit, ganz konkret und im Detail auf die Probleme hinzuweisen, die sich aus Sicht der Anlieger ergeben.“ Im Fall der Kolbermoorer Siedlung wäre das vor allem die Nähe zur Wohnbebauung. Nur rund 300 Meter Luftlinie trennen die Trasse von den ersten Häusern.

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Ein Umstand, der vielen Teilnehmern erst bei der Begehung so richtig bewusst wurde. „Es ist ein Unterschied, ob man sich das auf einer Karte anschaut oder ob man direkt in der Landschaft davorsteht“, sagte einer der Anwesenden. Wobei sich die Nähe, wie man befürchtet, vor allem in der Zeit der Großbaustelle auswirken würde. Ein Zeitraum, der sich vor allem wegen des schwierigen Untergrundes auf mehrere Jahren ausdehnen werde. Christian Wagner brachte es auf den Punkt: „Wir haben in unseren besten Jahren wegen der Baustelle nichts mehr von unserer Siedlung. Unsere Kinder und Enkel werden dann die Trasse vor der Nase haben, und das in einem Areal, das heute vor allem von Wald geprägt ist und noch ein echtes Stück Natur ist.“

Die Trassen lieber anderen zuschieben?

Ist es also das Ziel von Siedlervereinigung und Bürgerinitiative, die Trasse von Kolbermoor fernzuhalten und das Problem den Gemeinden östlich des Inns zu überlassen? „Beileibe nicht“, betont Bürgermeister Peter Kloo, der ebenfalls an der Trassenbegehung teilnahm. „Es geht darum, dass bei den sogenannten Raumwiderständen kein Faktor unberücksichtigt bleibt, um eine objektive Beurteilung sicherzustellen.“ Er nannte als ein Beispiel unter vielen das Problem des Abraumes: Der Seeton, mit dem man es auf weiten Strecken der Osttrassen zu tun habe, könne aufgrund seiner Bestandteile nicht einfach irgendwo hingekippt werden, sondern benötige im Grunde spezielle Deponien, die erst geschaffen werden müssten. Solche Fragen müssten bereits im Vorfeld geklärt werden.

Parallel zu diesen ganz konkreten Überlegungen gibt es für Peter Kloo aber immer noch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Trassenplanung als Ganzes. Dass man für die nächsten Jahrzehnte ein zukunftsfähiges Verkehrskonzept brauche, stehe außer Frage. Doch ob dafür ein Bundesverkehrswegeplan die richtige Basis sei, der in seinen Ursprüngen aus den 80er-Jahren stamme, wage er zu bezweifeln. Damals war von einer Osterweiterung Europas noch nicht einmal zu träumen, waren die Verkehrsanforderungen gerade im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs ganz andere als heute. Kloo brachte es mit einem Vergleich noch einmal auf den Punkt: „Wir bauen uns mit der neuen Fernverkehrsstrecke ein goldenes Dachl und haben in Sachen Nahverkehr noch nicht mal einen soliden Keller“.

Eine Kritik, mit der die Bürgerinitiative voll und ganz konform gehe, wie Ralf Exler deutlich machte. Bleibt die Frage, ob all diese Einwände überhaupt eine Chance haben, von der Politik auch wahrgenommen zu werden. Zumindest beim Trassenverlauf selbst scheint es so zu sein, wie man aus einem Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig entnehmen konnte.

Daniela Ludwig ist für Untertunnelung

Diese hatte sich in erster Linie als einfaches Mitglied des Siedlervereins bei der Begehung eingefunden, wie sie selbst sagte. Daneben aber auch, um zu zeigen, „dass es wichtig ist, dass man sich in Sachen Brenner Nordzulauf auf allen Seiten informiert und auch, dass es wichtig ist, die eigene Sicht der Dinge zu vertreten.“ Meinungsäußerungen, die nach ihrer Einschätzung bei der Politik durchaus ankämen. In den Ministerien, aber auch im Parlament, werde die Tatsache, dass bei Großprojekten Flächenverbrauch und Lärmschutz ganz entscheidende Parameter seien, zusehends mehr wahrgenommen. Sie selbst stehe dafür ein, dass man zwar in Sachen Brennerverkehr an einer Verlagerung auf die Schiene nicht vorbeikäme, dass dabei aber – egal bei welcher Trassenvariante – in erster Linie auf Untertunnelung gesetzt werden müsse.

Quelle OVB-Online.de.

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